"Immer nachdrücklicher drängen Collegium 1704 und Collegium Vocale 1704 in den Olymp der Händel-Interpreten. Nach Israel in Egypt steht für sie das Oratorium La resurrezione mit Julia Lezhneva (und die mit Spannung erwartete Wiederentdeckung von Vivaldis Oper Arsilda, regina di Ponto) im Kalender. Dieses Ensemble zieht außerordentliche Erfahrungen aus der Beschäftigung mit dem prachtvoll repräsentativen Jan Dismas Zelenka und dem der Empfindsamkeit nahestehenden Josef Mysliveček hinüber zum bekanntesten Oratorium Handels.
Die Konkurrenz auf Tonträgern ist außerordentlich groß. Neben dieser zeichnet sich die Lesart des tschechischen Cembalisten und Dirigenten Václav Luks durch einen profunden Schönklang aus, den er für das in komplizierter Zusammenarbeit Händels mit Charles Jennens entstandene Oratorium vom ersten bis zum letzten Takt kultiviert. Wie bei Bachs Matthaus-Passion zählt für Luks im Messiah die Ausdruckskraft der Musik selbst alles, eine interpretierende Definition nach sakraler oder dramatischer Wesenhaftigkeit nur wenig. Damit bestätigt Luks letztlich, dass die Querelen nach der Urauf- führung in Dublin 1742aus Perspektive der anglikanischen Kirche sogar berechtigt waren: Messiah, das Opus mit der ungewöhnlichen Dramaturgie von der Ankündigung des Heilands zu dessen Selbstopfer für die Menschheit und Verherrlichung der Erlösung, wurde vor allem als "Grand Musical Entertainment" gefeiert.
Eine historisch informierte Aufführungspraxis realisieren Orchester und Chor ganz selbstverständlich. Insofern gehören Collegium 1704 und Collegium Vocale 1704 zu jenen jüngeren Ensembles, die vom Erfahrungsgewinn mit Alter Musik in den letzten Jahrzehnten enorm profitieren. Sie wollen keine sezierend analytischen Inter- pretationsexpertisen: Diese Live-Aufnahme hat eine hervorragend ausbalancierte Proportion zwischen Bläsern und Streichern, Chor und Soli. Vor allem zeigt Luks erneut sein phänomenales Gespür für Besetzungskombinationen. Hier wird nicht der Altus Benno Schachtner, der es ohne weiteres verdient hätte, als Primo uomo inthronisiert, sondern der polnische Tenor Krystian Adam: Eine Stimme mit strahlendem Leuchten und dazu perfekter Ausgeglichenheit von Diktion und Phrasierung. Giulia Semenzato und Kresimir Strazanac bestehen daneben mit allen Ehren, was in dieser traumhaften Konstellation wirklich schwer ist. Nicht zuletzt springen elektrisierende Funken aus dem Gespür und der im musikalischen Dialog packenden Intuition des Collegium 1704. Denn dessen Auftritte sind weitaus mehr als Performances barocker Authentizität. Fast paradiesisch ist auch die Akustik des Prager Rudolfinum, wo diese Aufnahme entstand."